Montag, 20. März 2017

Handy und Kirche?

Ich gestehe:
Ich habe mich letztens selbst verschämt zum ersten Mal getraut mein Smartphone in der Kirche zu benutzen. Ganz heimlich. Noch ein paar Tage zuvor hat jemand einfach in der Kirche telefoniert – aber das war für alle in Ordnung, es war spät in der Messe und es ging darum einen Krankenwagen zu rufen. Gott sei Dank mussten die Rettungssanitäter nichts anderes tun als nur den Blutdruck zu messen.


Zurück zu meinem Geständnis: Vielleicht geht es Ihnen als gelegentlichem oder häufigen Gottesdienstteilnehmer auch so, dass sie mitsingen, mitbeten, sich setzen und auf die Lesung lauschen – und vielleicht schon dabei oder gegen Ende mit den Gedanken abschweifen, weil ein Wort oder ein Gefühl sie besonders angesprochen hat? Mir ging es mal wieder so, zu meinem Leidwesen, mir fielen dann wichtige Dinge ein, die bald erledigt sein müssen. Und plötzlich kam der Antwortgesang auf die Lesung und ich konnte mich an die Worte der Lesung nicht mehr erinnern. Ich habe mich dann entschieden, in mein aufgeschlagenes Gotteslob (das angezeigte Lied kannte ich auswendig) das Smartphone zu legen und die Internetseite des „Schott-Messbuches“ zu öffnen. Die hatte ich mir schon auf die Startseite gelegt, ich musste nur einmal drauftippen. Schon wurden alle von der normalen liturgischen Lese-Ordnung festgelegten Texte angezeigt und ich konnte die Worte der Lesung nochmals aufnehmen. Dabei natürlich bewusst den Antwortgesang singend. Ich meine sogar, das geschafft zu haben (Die Angaben der normalen Texte stehen übrigens auch in jedem Gotteslob im Anhang ab Nummer 880).


Wenn ich gehört habe, dass mancherorts Christen mit dem Messbuch in der Bank sitzen habe ich mich gewundert. Scheinbar war das seinerzeit wohl zumindest zum Teil auch so, weil sie sicher gehen wollten, dass in der Messe auch alles richtig ist. Manchmal gab es da sogar Beschwerden. Aber was heißt schon „richtig“? Reicht ein vermeintlich juristischer Wahrheitsbegriff (auf Latein: „rite et recte“) zur Bewertung, dass ein Gottesdienst richtig gestaltet wird? Dass er zum Segen für die Mitfeiernden und die Welt wird? Dass er unsere Lebenswelt berührt und bewegt? Sind Gewohnheiten und Traditionen auch Heilsgewissheiten? Ein Gespräch bei einem Krankenbesuch hat mich darüber nachdenken lassen.


Empfinden Sie Veränderungen der Zeit als bedrohlich? Die Kirche hat sich in ihrer 2000jährigen Geschichte schon oft darüber Gedanken machen müssen. Wir gedenken in diesem Jahr auch an 500 Jahre Geschichte der Kirche mit Martin Luther. Von ziemlich großer Bedeutung dabei war eine für damalige Verhältnisse umwälzende kulturelle Weiterentwicklung: der Buchdruck. Heute haben viele Menschen einen symbiotischen Umgang mit ihrem Smartphone. Das wird von vielen als furchtbare Kulturdegeneration empfunden und vielschichtig abgelehnt. Oft scheint mir die Kritik aber zu flach und nur teilweise berechtigt – aber gerne können wir darüber diskutieren.


Ein junger Pfarrer wurde vor noch nicht mal zehn Jahren aus der Kathedrale verwiesen, weil er ein Smartphone in der Kirchenbank nutzte. Es war den Anklagenden egal, dass er auf seinem  Smartphone eine Bibel-App nutzte und eine geistliche Lesung hielt. Diese App wurde seit ihrer Erfindung rund 260 Millionen Mal installiert. Die Benutzer haben 235 Milliarden Minuten mit ihr verbracht.

So oder so – wieviele Minuten möchten Sie in dieser Fastenzeit mit dem Lesen von Gottes Wort in der Bibel, ob in Papierform oder auf einem Bildschirmdisplay, verbringen?

Mittwoch, 15. März 2017

Darf’s etwas mehr sein? XXL in der Seelsorge ...

Etwas spät, aber nun dennoch kurz vor dem nächsten Heft nun endlich auch hier der Beitrag aus fünfachtel 3/2016:

Zwei Impulse führen zu diesem kleinen Gedankengang:
Erstens ein noch ziemlich aktuelles Buch mit dem provokanten Titel: „XXL Pfarrei. Monster oder Werk des Heiligen Geistes?“ Ein Pfarrer und sein ehren- und hauptamtliches Team berichten von den guten und schwierigen Erfahrungen beim Aufbruch in die Zukunft. Gegen schnelle Vorurteile setzen sie echte Beteiligung und konkrete Handlungsoptionen. Ungeschönt und lesenswert.

Zweitens der ältere vorgebliche „Dokumentar“-film „Supersize me“, der die Eigenart der Fastfood-Kultur in den USA karikiert. Der Hauptdarsteller will die schlimmen gesundheitlichen Folgen zeigen, die sich durch tägliche ausschließliche Ernährung in solchen Restaurants und durch mangelnde Bewegung ergeben. Heute kann man aber auch vielfältige Kritik dazu lesen. Der Mangel an Bewegung ist bleibend das wohl Entscheidende.


An und für sich klingt die Überschrift hier ja zunächst harmlos. Sie erinnert mich an gemütliche Einkaufserfahrungen an der Metzgereitheke. Im Supermarkt sprechen große Portionen immer an, preiswert einzukaufen ist heute vielen vielleicht wichtiger als der kritische Blick auf Qualität. Ich glaube, dass „XXL“ nicht nur beängstigende Assoziationen hervorrufen muss. Aber man sollte genau hinschauen. Wenn wir aber in Bezug auf unsere Gemeinden die Erfahrungen oder die Gefühle zu immer größeren Einheiten ansprechen, dann wird schnell von Angst, Verlust, Niedergang, Vorwürfen
und Schuldigen zu hören sein. Sündenböcke waren ja auch schon in biblischer Zeit notwendig.


Ist denn ein Blick in die Weite immer nur schlecht? Das vorschnelle Aburteilen von sogenannten Strukturreformen entlastet ja auch von dem ehrlichen Blick in die Realität und vor allem auf den Auftrag, der uns als Christen gestellt ist. Immer stehen Menschen in der Gefahr, die eigenen guten Erfahrungen und Bilder der Vergangenheit, die über viele Jahre vielleicht auch die richtigen damaligen Antworten waren, für absolut zu setzen. Alles Neue ist dann automatisch schlecht.


Ich persönlich möchte mich lieber immer wieder entscheiden, auch die Chancen zu sehen. Und mich den Realitäten zu stellen. Keine Frage: immer wird persönlicher Kontakt von Mensch zu Mensch, von Christ zu Christ und auch Nichtchrist, vom durch Jesus Christus motivierten Helfenden zu dem, der oder die in einer Situation Unterstützung oder Zuwendung braucht, das entscheidende Merkmal
einer christlichen Gemeinde sein. Die Projektion auf eine idealisierte Seelsorgerfigur alleine und
eine gefühlte Nähe durch die Erfüllung unterschiedlichster Erwartungen führt nicht in die Zukunft. Und das nicht, weil es diese idealisierten Seelsorger rein rechnerisch immer weniger geben wird. In blühenden Gemeinden an anderen Orten der Erde gab es aus dieser Perspektive heraus noch nie so viele davon, wie es sein müssten.

Es müssen Gemeinschaften von Menschen sein, die Gott einen Platz in ihrem Leben geben, die sich von ihm leiten lassen. Es gibt vielleicht in größeren Zusammenhängen und beim Blick über den örtlichen Tellerrand auch die Chancen, dass sich in neuer Weise Gruppen finden und Dinge entstehen können, die heute nötig sind und die unseren heutigen gesellschaftlichen Realitäten eine Antwort aus dem Glauben anbieten. Im Evangelium finde ich nichts davon, dass das nur in kuscheligen und von der Außenwelt in gewisser Weise abgeschotteten Pfarrfamilien geschehen muss. Im Gegenteil: Jesus sendet. Uns alle.


So hören wir das übrigens auch am Ende jedes Sonntagsgottesdienstes: „Gehet hin in Frieden“, denn ihr seid gesendet.
Gott sei Dank.