Samstag, 22. Dezember 2018

...SCHLAF IN HIMMLISCHER RUH!


200 Jahre Stille Nacht – Heilige Nacht


Die Redaktion des Pfarrbriefes in Troisdorf (www.trokirche.de) hat ihre Weih­nachtsausgabe mit nachdenklichen Beiträgen aus heutiger Zeit zu den einzelnen Teilen der berühm­ten ersten Strophe entfaltet. Die AutorInnen und der Zeichner haben sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt:

Juan Francisco González, 2018

Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf. Mit dem Schlaf ist es vorbei, weil ein Grübeln einsetzt. Mal habe ich wirklich Sorgen oder Stress, mal nur kleine Problemchen. Aber egal wie, ich liege wach und grüble. Bei Tage betrachtet, wundert
mich nur eines: dass ich angesichts einiger gesellschaftlicher Entwicklungen überhaupt noch ruhig schlafen kann. Ich denke daran, dass vor unserer europäischen Haustür, im Mittelmeer, immer wieder Menschen ertrinken. Sie sind, oft mit ihren kleinen Kindern, in Schlauchboote gestiegen, weil sie in ihrer Heimat in existenzieller Not sind oder keine Lebensperspektive haben. Wir wissen darum, und zwar seit Jahren. Da es sich aber um eine globale Problemsituation handelt, sehen
wir uns oft nicht in der Lage, nachhaltig etwas zu ändern, weder bezüglich der akuten Notlage, noch bezüglich der Ursachen der Migration. Und natürlich hat jeder von uns auch noch andere, eigene Probleme und Belastungen. Dennoch: Werden unsere Kinder nicht fragen: „Was habt ihr getan, als es früh genug war?“ Manche von uns werden dann gute Antworten haben: Menschen, die so handeln wie zum Beispiel
Rupert Neudeck es getan hat: Menschen, die sich aktiv in der Seenotrettung, Entwicklungshilfe oder Flüchtlingshilfe engagieren.
Nicht jeder ist in der Lage, sich so massiv einzusetzen. Aber jeder kann darüber nachdenken, was er oder sie persönlich tun kann: vielleicht spenden, vielleicht mit Bundestagsabgeordneten in Kontakt treten, um klarzustellen, welche Politik man als Christ erwartet. Sicher können Wahlberechtigte im nächsten Jahr an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen und dabei die Kräfte stärken, die an wirklichen
Lösungen für Probleme arbeiten und sich für ein gutes Zusammenleben aller Menschen einsetzen. Vielleicht ist es auch hilfreich, wenn man Stammtischparolen offen seine Meinung entgegensetzt, wenn wir nicht schlafen in den Momenten, in denen andere Polemik und Hetze verbreiten. Wo andere diffuse Ängste äußern, kann man nachfragen und den Blick öffnen für die Fluchtursachen von Menschen. „Himmlisch“ können wir dann wahrscheinlich immer noch nicht schlafen, aber vielleicht so, wie nach getaner Arbeit.

Ute Wolf

Mittwoch, 19. Dezember 2018

…HOLDER KNABE IM LOCKIGEN HAAR…


200 Jahre Stille Nacht – Heilige Nacht


Die Redaktion des Pfarrbriefes in Troisdorf (www.trokirche.de) hat ihre Weih­nachtsausgabe mit nachdenklichen Beiträgen aus heutiger Zeit zu den einzelnen Teilen der berühm­ten ersten Strophe entfaltet. Die AutorInnen und der Zeichner haben sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt:

Juan Francisco González, 2018

In der Mitte der ersten Strophe von „Stille Nacht, heilige Nacht“ steht Christus. Er ist der „holde Knabe im lockigen Haar“, er ist die Mitte unseres Glaubens, er ist die Mitte von allem. Die Tradition der Kirche hat das Geburtsfest des Herrn in die Mitte der Dunkelheit des Jahres gelegt. Kurz nach der Wintersonnenwende feiert die Kirche
seit dem vierten Jahrhundert, dass Christus Licht und Erlösung in die Welt bringt. Er gilt den Christen als die wahre Sonne, die alles Dunkle vertreibt. Folgerichtig geschieht das Wunder der Auferstehung, die Überwindung des Dunkels des Todes,
auch im Dunkel der Osternacht. Christus, das wahre Licht, stellt sich somit an die
Seite aller Bedrückten, Verängstigten und Gequälten. Er ist dabei ein versierter Redner, wie an der Bergpredigt erkennbar. Er ist feuriger Revolutionär und Übertreter von Konventionen, vertreibt die Geldwechsler und Viehhändler vom Tempelgelände.
Er ist gefeierter Star für alle Hungernden, wenn er Tausende mit nur fünf Broten und zwei Fischen speist. Er ist Heilender für Kranke und Verstorbene in unzähligen
Wunderberichten und dabei einfühlsamer Zuhörer und Mutmacher. Er ergreift dabei immer Partei für die Armen und Entrechteten.
Dabei geht er bis zum äußersten – bis zum ehrlosen und entsetzlich schmerzhaften Verbrechertod am Kreuz. Hier ist wieder das Dunkle entscheidend: In der Nacht von Gründonnerstag zu Karfreitag, verlassen von allen seinen Begleitern, stellt Jesus sich seiner Sendung, die Welt zu erlösen, und lässt sich verhaften, so dass er verurteilt und am Kreuz getötet wird.
Diese konsequente Solidarisierung des Herrn mit den Armen, Schwachen, Einsamen, Entrechteten, Verfolgten und Geschundenen zeigt sich schon von Anfang an: Er wird ein kleines und schutzbedürftiges Kind, eben der „holde Knabe im lockigen Haar“. Und dieses Kind muss nach dem Bericht der Evangelien direkt die volle Wucht der Dunkelheit erleben: Das Lukasevangelium erzählt von der Geburt fern der Heimat in einer Notunterkunft, das Matthäusevangelium von der Verfolgung durch den König Herodes und der daraus resultierenden Flucht nach Ägypten.
Unsere Kirche wird zurzeit durch die Aufdeckung von entsetzlichen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in ihrer Mitte durch Geistliche und andere Amtsträger zutiefst erschüttert. Jahrelang ist über diese Untaten Stillschweigen gehalten worden, ja sind sie offenbar sogar bewusst von Amts wegen ins Dunkel des Vertuschens verwiesen worden. Bei allem Entsetzen darüber, bei aller Wut, bei allem nun notwendigen Aufarbeiten und Sich-der-Verantwortung-stellen, das nun folgen und doch immer nur Stückwerk bleiben muss, entsteht auch der Gedanke, dass Christus selbst an der Seite der Missbrauchsopfer steht – er, der „holde Knabe im lockigen Haar“, mitten in der Dunkelheit. Christus ist da, auch wenn wir es nicht vermuten und uns vorstellen können. Er wird in der Dunkelheit der Weihnacht geboren und ist auch hier und heute zugegen. Christus steht mitten im Leben, mitten im Leiden, mitten unter uns.

Hermann Josef Zeyen