Sonntag, 29. November 2015

Hände oder Fäuste – virtuell und IRL

Das Thema „Flüchtlinge“ beschäftigt uns in Sankt Augustin in unterschiedlicher Intensität und je nach persönlichem Blick schon lange. Vor einem Jahr wurde in dieser Rubrik über die „filter bubble“ berichtet. Damals wurden gerade die ersten Container in Sankt Augustin bezogen
Inzwischen gibt es in mehreren Ortsteilen größere Unterkünfte für unsere Neuen Nachbarn. In den wenigen Wochen haben sich erstaunliche Aktionen und Engagements entwickelt. Hierzu zählen ein über Facebook organisiertes Begegnungsfest, das der Polizei im Vorfeld sogar Sorgen bereitete, eine Menge von Helfern, die miteinander und nebeneinander einfach das tun, was nötig ist und eine Unmenge an Sachspenden, die aber gar nicht so einfach sinnvoll weiterzugeben sind. Es gehören aber auch Schwierigkeiten dazu, etwa der Versuch einer guten Zusammenarbeit, wo man vorher nicht viel miteinander zu tun hatte. Kompetenzfragen sind auch nicht immer leicht zu klären. Es gibt vieles mehr, das sich im Internet und Social Media widerspiegelt – oder auch andersherum?
 

Wenn man im September in eine Suchmaschine die Stichworte „Sankt“ „Augustin“ „Flüchtling“ eingegeben hat, gab es kaum einen Treffer zu einer Seite, die etwas über unsere Stadt erzählte. In der Facebook-Gruppe „Du kommst aus Sankt Augustin wenn…“ sah das schon anders aus. Knapp drei Wochen nach dem Bezug einer neuen Unterkunft haben sich hier dutzende von Mitbürgern zusammengetan. Aber in dieser Gruppe wurden auch immer wieder besorgte oder sogar fremdenfeindliche Stimmen laut, die die Moderatoren zur Aktivität zwangen. Anfang Oktober startete dann auf Initiative der Kirchen eine Homepage, die Helfer und Hilfsangebote vernetzen soll. Die erstaunlich hohen Zugriffszahlen dokumentieren den Bedarf und die Nachfrage. Und auch auf der Website der Stadt Sankt Augustin gibt es seit neuestem Übersichten und Informationen. Das Internet kann ein gutes Instrument sein, um Menschen und Kräfte zusammenzubringen. Aber es gibt auch ganz anderen Kräften Raum. Fremdenfeindliche oder heimatverbundene Plakate und Videos wirken vor tausenden Zuschauern und lösen heftige Diskussionen aus. In diesen Medien sind dann alle gefragt, aufmerksam zu sein, das Richtige zu tun, Unmögliches nicht unkommentiert zu lassen und nicht unbedacht zuzustimmen. Es müssen gute Nachrichten geschrieben und verbreitet werden. Besonders die, die einer frohen Botschaft folgen, sind hierzu aufgerufen.
Christliche Medienkompetenz und Medienengagement tut Not.

Samstag, 14. November 2015

Sich an die eigene Nase fassen

Bild aus dem Haus Völker und Kulturen, Sankt Augustin (B. Bungarten)


Auch aus Afrika drängen immer mehr Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa. Mit Entwicklungshilfe versuchen wir gegenzusteuern. Warum das aussichtslos ist.

Über 800.000 Menschen werden dieses Jahr laut Innenminister Thomas de Maizière zu uns kommen. Das überrascht viele. Wir sollten uns jedoch fragen, warum diese Menschen zu uns kommen.

Mal einen anderen Blickwinkel versuchen

Die Projektwoche bietet Anlass, einmal die afrikanische Maske aufzusetzen und zu versuchen, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu beleuchten.
Die afrikanischen Flüchtlinge kommen meistens aus einem von zwei Gründen: Krieg oder Armut. In der Bundesrepublik wird nur der erste als Asylgrund anerkannt. Menschen, die wegen ihrer Armut fliehen, werden als „Wirtschaftsflüchtlinge“ abgeschoben. Hier verweisen die Politiker dann immer darauf, man würde ja die Fluchtursachen bekämpfen. Doch was ist die Fluchtursache? Die Antwort: Wir.
Nicht nur, dass die europäischen Staaten als Kolonialmächte die einseitige Wirtschaftsausrichtung der afrikanischen Länder verursacht haben, die nun zunehmend darunter leiden. Nein, die Europäische Union überschwemmt auch noch die lokalen Märkte mit hochsubventionierten, eigenen Produkten, die für lokal produzierte Waren eine vernichtende Konkurrenz darstellen. Damit verlieren die Bäuer*innen ihre Lebensgrundlage.

Europa nimmt Bäuer*innen die Lebensgrundlage

Ein gutes Beispiel dafür sind Geflügelabfälle. Auf dem deutschen Markt verbleibt nur die Hühnerbrust, alles andere wandert auf den anderen Kontinent. Die Abfälle sind dort so billig, dass z.B. in Ghana neun von zehn Hühnerfarmen schließen mussten.
Wenn die ghanaischen Landwirt*innen von europäischen Produkten in die Knie gezwungen wurden, haben sie im Prinzip drei Optionen: völlige Armut, Flucht nach Europa oder Piraterie. Was ist uns lieber?
Aufgrund der zunehmenden Verarmung der afrikanischen Staaten, sind sie gezwungen, sich Geld bei der EU und dem IWF zu leihen. Eine der Bedingungen dafür: Das Abschließen eines Freihandelsabkommens mit den europäischen Staaten.. Diese untersagen es den Ländern, ihre Wirtschaft durch höhere Einfuhrzölle zu schützen. Damit haben die subventionierten Produkte der EU leichtes Spiel, die Zerstörung der afrikanischen Märkte wird weiter forciert.
Auch bei den Fischern ist es kaum anders: Europäische Fischtrawler, riesige, schwimmende Fischfangfabriken, leeren die Meere vor der afrikanischen Westküste. Was die arbeitslosen, lokalen Fischer dann machen, kann man in Somalia beobachten: Piraterie feiert Hochkonjunktur.

Europa macht Afrika arm

Diese Beispiele zeigen: Für unsere Wirtschaft nehmen wir die Armut Afrikas in Kauf. Entwicklungshilfe ist wichtig und richtig, bleibt aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, solange sich nichts an der Exportpolitik der EU ändert.
Wenn wir nun die Maske absetzen, sollten wir in Erinnerung behalten, was uns der Blick aus der afrikanischen Perspektive gelehrt hat: Bevor wir uns über Flüchtlinge beschweren oder unsere Entwicklungshilfe bejubeln, sollten wir uns erst darum kümmern, unsere Zerstörung der afrikanischen Märkte abzustellen.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich für die Dokumentationszeitschrift „afri:doku“ zur Projektwoche des Albert-Einstein-Gymnasiums 2015 verfasst. Leider ist er in dieser Zeitung nicht mehr zu finden. Albert Wenzel

Mittwoch, 11. November 2015

Wir dürfen es nicht zulassen ...

Gedanken von Kollege Patrick Bauer, die er bei facebook geteilt hat und die mich bewegen:

Ich weiß, dass im Moment viele sich dazu äußern und ich mit meinem Kommentar nicht all zu viele erreiche. Dennoch ein paar Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.

Es ist Traurigkeit, die mich erfasst hat. Ich sehe jede Woche Menschen sterben und erlebe, wie Welten zusammenbrechen, weil Krankheiten Lebensentwürfe und die Zukunft von Menschen zerstören. Dann gelingt es mir Trost zu spenden und die Gefühle nicht zu nah an mich ran zu lassen. Ich habe Menschen begleitet, die gesehen haben, wie ein anderer in den Tod gesprungen ist.
Ich habe Müttern die ihr totgeborenes Kind in den Armen hielten, beigestanden und mit ihnen gesprochen und gebetet.
Nichts von all dem habe ich mit nach Hause genommen. Ich kann diese Dinge meinem Gott übergeben und in seine Hände legen.


In den letzten Tagen gelingt mir das nicht mehr. An zwei Tagen hintereinander habe mir Männer, die als Jugendliche den zweiten Weltkrieg erlebt haben, mit mir gesprochen. Beide haben mit Gewehren im Schützengraben gelegen und waren in Gefangenschaft, einer acht Jahre in Rußland. Er sagte mir folgendes:
"Ich habe so viel Scheiße erlebt, und habe wieder ins Leben zurüchgefunden. Meine Frau wurde auf der Flucht vergewaltigt und ich war bei ihr, wenn sie nachts im Schlaf geschrien hat und sie war bei mir, wenn ich meine Tasse nicht mehr halten konnte, weil meine Hände so gezittert haben. Ich bin so froh, dass ich trotzdem sagen kann, ich danke Gott für mein Leben. Wenn ich heute die Reaktionen in unserem Land auf Flüchtlinge sehe und den Fremdenhass erlebe, dann..." er wurde von Weinkrämpfen geschüttelt und ich konnte nur seine Hand halten. Einer der wenigen Momente in denen auch meine Tränen nicht zurückhalten konnte.
Der andere mann sagte zu mir: "Ich verstehe das nicht." Die ersten Tränen flossen... "Wieso machen die so was." Heftiges Schluchzen... "Das darf doch nicht noch mal passieren." erblickt mir tief in die Augen. Ich sehe die nassen Wangen und das ernste Gesicht. "niemals wieder, verstehen sie?" Ich fühle wie meine Hand ganz fest gedrückt wird.


Heute dann eine Frau. Sie ist zu Fuß gegangen, mit dem Boot gefahren, zu Fuß weitergegangen, ist in einen Zug gestiegen und wieder zu Fuß gegangen. Eine Schwester erzählt mir, dass diese Frau ihr gesagt hat, lieber hier in einem Flüchtlingsheim, als zurück in ihre Heimat. Diese Frau ist 105 Jahre alt!


Liebe Freunde, wir dürfen es nicht zulassen, neimals, dass Menschen die vor Krieg und Gewalt flüchten Angst haben müssen, wenn sie unser Land kommen. Ich will nicht, dass dieses Land ein Land des Hasses ist. Lasst Euch nicht verführen von plumpen Sprüchen brauner Ideologen.
Ich bin traurig, aber ich habe die Hoffnung, dass wir das schaffen.
Patrick Bauer

Donnerstag, 10. September 2015

Erwartungen und Anfragen

Wann funktioniert eine Gemeinschaft?
Was braucht es, damit Aufgaben erkannt und bewältigt werden?
Wie geht es dann weiter? Und was kann ich dabei tun?
Anfragen an selbstverständliche Erwartungen …



Ein bibelfester Christ (egal ob evangelisch, katholisch oder anderer Konfession) würde sagen:
wenn wir das tun, was in der Heiligen Schrift steht.
Aber das hilft nicht immer, wenn es um moderne Technik oder neue Herausforderungen
geht – was die Menschenwürde und entsprechenden Umgang miteinander angeht
allerdings schon. Das Buch Ruth erzählt eine faszinierende Flüchtlingsgeschichte, die in
den Herbstferien in Ökumenischen Kinderbibeltagen erlebbar werden soll.

Ein Verwaltungsfachmann (ob bei Stadt, Kreis oder Land) würde sagen:
wenn alle Planstellen besetzt sind und die Einnahmenprognose positiv ist (damit mehr Planstellen geschaffen werden können). Darauf kann sich aber langfristig niemand verlassen; in unseren Gemeinden sieht manches noch sehr positiv aus, so dass man sich dem notwendigen (und übrigens im Glaubensgut durchaus verankerten) Wandel nicht
stellen möchte. „Es geht doch noch. Es ginge besser, wenn die anderen… Die anderen müssten nur…“ Und wie die Sätze alle heißen mögen, die einem dabei so begegnen. Es werden immer weniger Engagierte, die ihre Freizeit mit den klassischen Aufgaben füllen
wollen, und es werden immer weniger, die sogar ein Studium und ihre Berufswahl und Berufung dafür einsetzen wollen. Und trotzdem muss das keinen notwendig sorgenvollen Blick in die Zukunft nach sich ziehen. Es wird nicht alles schlecht, sondern anders.

Ein heimatverbundener Traditionalist (ich wage gar nicht bestimmte Vereine oder Gruppen aufzuzählen, außerdem funktioniert diese Einstellung auch ohne) würde sagen:
wenn wir alles so tun, wie wir es immer schon getan haben. Aber die Vogel-Strauß-Taktik mit dem Kopf in den Sand ohne Rückbesinnung auf die Gründe für althergebrachte Handlungsweisen und einen offenen, aufmerksamen Blick auf die Realität und die Mitmenschen verspricht nicht eine Erfolgsstrategie zu werden. Und so vieles wird heute einfach nicht mehr verstanden. Ein beredtes Beispiel dafür ist der Anruf einer Anwohnerin bei der Polizei, dokumentiert in einer großen Zeitung vor kurzem, die eine Gruppe von Menschen durch die Straßen ziehend beunruhigt meldete, weil sie seltsame Sätze hörte
wie „… guter Hirte“ und „jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Aber es waren gar keine Fundamentalisten,sondern wohl eine schlichte Fronleichnamsprozession.

Ein Personal-Trainer oder Coach (der einen professionell im Selbstmanagement topfit machen soll) würde sagen:

wenn jeder seine beste Leistung bringt und das ganze gut gesteuert wird. Aber nicht alle sind motiviert, nicht alle können sich immer weiter verbessern in ihrer Leistung. Und manchmal fragt man sich ob Team (Leiterrunde, Vereinsvorstand oder Arbeitsgemeinschaft,
…) nicht häufig auf Deutsch übersetzt heißt: „Toll, ein anderer machts“. Gut und Mut machend, wenn man auch von Anderem hören, lesen oder es sogar erfahren kann. Auf der
Seite www.kundschafternetzwerk.de wird von einer für uns sehr ungewohnten Gemeinde berichtet – dort wird aus Team wiederum im Englischen „Together Everyone Achieves More“.

Bei allen tiefen Gräben zwischen sich abgrenzenden Gruppen und des häufigen Kreisens um die eigene kleine Aufmerksamkeit kann viel erreicht werden – im Kleinen immer noch, im Großen noch viel mehr. Das notwendige Engagement für die Nöte unserer Zeit, in diesen Tagen unbedingt für die vielen Flüchtlinge, kann uns über uns selbst hinaus wachsen lassen. Viele Rückmeldungen und Hilfsangebote machen Mut. Es ist um der Menschen Willen und um Christi Willen nie umsonst, sich einzubringen. Und es wird uns alle weiterbringen. Machen Sie mit und setzen Sie sich ein. Und gestalten Sie auch das Leben
der Kirche neu. So wie Sie es können und wollen, genau richtig mit der Hilfe in bestimmten Initiativen oder sogar in Gremien wie dem Kirchenvorstand, damit dadurch die Arbeit von vielen anderen in den KiTas, den Jugendeinrichtungen und Gruppen, in der  Gemeindecaritas ermöglicht wird …

Sonntag, 3. Mai 2015

Psalm 63

Eine Reihe von schlichten Textposts mit den Worten eines Psalms weisen auf den neuen youtube-channels des Projektes Psalmenmalen hin, das mit dem Projekt Psalmengeflüster verbunden ist ...

Sehnsucht nach Gott

1 [Ein Psalm Davids, als er in der Wüste Juda war.]
2 Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser.
3 Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen.
4 Denn deine Huld ist besser als das Leben; darum preisen dich meine Lippen.
5 Ich will dich rühmen mein Leben lang, in deinem Namen die Hände erheben.
6 Wie an Fett und Mark wird satt meine Seele, mit jubelnden Lippen soll mein Mund dich preisen.
7 Ich denke an dich auf nächtlichem Lager und sinne über dich nach, wenn ich wache.
8 Ja, du wurdest meine Hilfe; jubeln kann ich im Schatten deiner Flügel.
9 Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich fest.
10 Viele trachten mir ohne Grund nach dem Leben, aber sie müssen hinabfahren in die Tiefen der Erde.1
11 Man gibt sie der Gewalt des Schwertes preis, sie werden eine Beute der Schakale.
12 Der König aber freue sich an Gott. Wer bei ihm schwört, darf sich rühmen. Doch allen Lügnern wird der Mund verschlossen. 
 

Donnerstag, 2. April 2015

Werde ich ein Osterlied singen?

Hinweis für die Leser des Magazins fünfachtel: den aktuellen blog-post aus dem Heft 1/2015 (März) finden sie weiter unten oder wenn sie HIER klicken.


Heute morgen hat mich die kurze Lektüre der aktuellen Beiträge meiner facebookfreunde auf einen Artikel in Christ & Welt gestossen, der mich bewegt hat, deswegen möchte ich auch hier meinen Kommentar und den Hinweis teilen:


HIER der direkte link zu dem Artikel, hier unten dann lesbar mein Kommentar dazu:

Sehr lesenswert, auch heute ... es lohnt sich, sich die paar Minuten zu nehmen und bis zum Ende durchzulesen.
Und ziemlich weit unten habe ich dann gemerkt, dass ich das aufgeschlagene Lied neben dem Laptop dann in der Osternacht vielleicht zum ersten mal bewußt für meinen Bruder singen werde, vielleicht jetzt erst kann. Und immer noch Schmerz da ist.

Freitag, 20. März 2015

Was ist Schokolade?

Ist sie einfach nur die Entschuldigung vom lieben Gott für Brokkoli, wie es auf Postkarten und im Internet kursiert? 
Oder etwa ein Geschenk der Götter, wenn ich es im Lexikon nachschaue? Da ist die Rede von einer Pflanze, die den Azteken heilig war, eine Gabe für Könige und sogar ein offizielles Zahlungsmittel (Kakaobohnen). 
Heute sagt nicht nur die Werbung, dass sie uns glücklich machen kann. 
Wichtig für den gut informierten Katholiken: „Sie bricht das Fasten nicht“ laut Entscheid unserer Zentralbehörde von 1569
 
Jahr für Jahr verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich etwas mehr als elf Kilo, Europa verschlingt die halbe Ernte der Welt in diesem Bereich – das macht umgerechnet 15 Milliarden Tafeln. Wenn ich mir mein eigenes Konsumverhalten vor Augen führe, dann habe ich da auch gut zu beigetragen. In der Fastenzeit habe ich mir diesmal vorgenommen auszuprobieren, deutlich weniger und bewusster zu konsumieren. Allerdings nicht weil schlichter Verzicht schon gut ist, sondern mehr im Sinn, wie es unser Erzbischof in seinem Wort zum ersten Fastensonntag gesagt hat. Seine Vorschläge deuten eine andere Spur an.
 
Doch wo kommt die Schokolade eigentlich her? 
Ist sie etwa schmutzig – was soll das heißen?
Jeder kennt eine solche Szene: kaltes Wetter ob an St. Martin, auf dem Weihnachtsmarkt oder bei der Sternsingeraktion. Leuchtende Kinderaugen beim Kakaotrinken und die Hände an der wärmenden Tasse. Besonders bei der Sternsingeraktion, wo viel Geld für arme Kinder in anderen Ländern gesammelt und damit viel Gutes getan wird, macht mich der Kakao aber auch nachdenklich.  Nicht falsch verstehen: ich will den Kakao nicht sauer und würzig machen, wie es vielleicht seinerzeit die ersten Kolonialisten und Kurienvertreter geschmeckt haben (den reichlichen Zuckerzusatz haben erst die Europäer etabliert). Aber ist es nicht seltsam, dass manchmal der preiswerteste Kakao oder Süßigkeiten gekauft werden und auf der andere Seiten Menschen in den benachteiligten Teilen unsere Erde geholfen werden soll? Natürlich gilt das auch für ein Gemeindefest (z.B. bezüglich des Kaffees). Oder auch im Bezug auf die allzu kostengünstige Kleiderproduktion. Auch hier hat Kardinal Woelki zuletzt deutliche Worte gefunden.

Szenenwechsel: Kinder laufen mit schweren Säcken oder einer Machete in der Hand durch eine Plantage. So zu sehen in zwei Sendungen über die uns so lieb gewordene Kakaobohne, die den verklärten Blick auf das braune Gold verstören können. Unter dem Titel „Schmutzige Schokolade“ und ein paar Jahre später „Schmutzige Schokolade II“ hat ein dänischer Dokumentarfilmer in Ghana und der Elfenbeinküste recherchiert. Und so manches aufgedeckt, worüber viele Konzerne zunächst gar nicht mit ihm reden wollten. Da finden sich verschleppte und versklavte Kinder, die ohne eine Möglichkeit des Schulbesuches tagein tagaus die schweren Früchte ernten und bearbeiten. Da gibt es tausende von Unfällen mit Macheten bei Kindern, obwohl es nach allen internationalen Bestimmungen verboten wäre, dass Kinder überhaupt solches Werkzeug in die Hand nehmen. Dutzende Macheten liegen im Klassenzimmer einer Vorzeigeprojektschule eines der neuen, schönen Gütesiegel verschiedener Firmen.  Meiner Meinung nach wäre das mit den etablierten, jahrzehntelang engagierten Organisationen des partnerschaftlichen Handels, an denen teilweise die Kirchen beteiligt sind, nicht passiert.
 
Die Fairen Jecken wurden ausgezeichnet, was mich Jahr für Jahr und besonders dieses Mal freut. Die Eine-Welt-Gruppen sind unermüdlich in ihrem Einsatz – aber es könnten noch viel mehr Menschen mithelfen und die Idee fördern. Vor kurzem habe ich einen Hinweisbrief vom Erzbistum (Referat Mission, Entwicklung, Frieden) bekommen, der einladen möchte, sich mit den Themen „Fairtrade-towns“ und „Fairtrade-schools“ zu beschäftigen. Schon vorher hatte ich davon gehört und fand es spannend – wir haben im Seelsorgeteam überlegt, dass wir die Unterlagen dazu an möglichst viele Multiplikatoren und Engagierte in Gremien und Gruppen in unseren Kirchen weitergeben wollen – auch hier möchte ich Sie alle darauf hinweisen und einladen. Im Erzbistum Köln gibt es schon 14 Städte und 18 Schulen, die sich auf diesen Weg gemacht haben. Es wäre auch für uns in Sankt Augustin ein Gewinn. Machen Sie mit? Ich bin dabei.

Dienstag, 17. März 2015

Zufall oder Zeichen – unbewusst berührt im Gottesdienst


Bei der Austeilung der Kommunion an die große Gesamtgemeinde von Sankt Augustin beim Neujahrsempfang am 11. Januar dieses Jahres musste auch unser Hauptzelebrant wegen der Menge der Menschen richtig arbeiten. Auch zuvor hatte er sorgfältig die Einladung zum „Tisch des Herrn“ für möglichst alle Teilnehmer formuliert – er konnte ja nicht jeden persönlich kennen – was bei an die 800 Menschen in der großen Klosterkirche verständlich war. Bei den meisten schien das gut angekommen zu sein.
Dann hatte er aber auch gut zu tun. Und bei dieser „Speisung der Vielen“ ist ihm bei mir etwas gelungen, wovon er sicher noch nicht weiß: Ich bin ein getaufter Katholik, der große Sympathien für den Reformator Martin Luther und sein Anliegen und seine Äußerungen hat, soweit ich sie kenne und verinnerlicht habe. Ich halte ihn für eine Art „Kirchenlehrer“, der viel zum Verstehen und für die Wirksamkeit der Heiligen Schrift beigetragen hat, das heißt für das Aufkommen echter Freude daran. In seiner Nachfolge konnte Paul Gerhardt seinen Liedtext beginnen: „Fröhlich soll mein Herze springen“. Also: Martin Luther als Anwalt für ein fröhliches Christentum, oder besser: für den
Heiligen Geist, den Tröster und Lehrer, den Jesus verheißt beim Abschied
von seinen Jüngern. Was das für mich heißt? Nun, für mein christliches Glaubensverständnis spielt Luthers Lehre eine nicht unbedeutende Rolle. So sah ich mich ein wenig als katholischer Protestant – wie Luther damals. Zum Glück gibt es heute nicht mehr so viel zu protestieren wie 1517.
Nun kommt die unbeabsichtigte, für mich persönlich sich aber als berührendes Zeichen darstellende Handlung unseres Pfarrers Peter H. Emontzpohl: Er reichte mir im „Eifer des Gefechts“ der großzügigen Speisung gleich zwei Hostien. (Anmerkung der Redaktion: das „Zusammenkleben“ zweier Hostien kommt gelegentlich vor) Für mich bedeutete das im Inneren: eine für den katholisch getauften Christen – und eine für den evangelisch aufgeklärten Christen. Logisch, denn durch seine herzliche Einladung waren für mich beide angesprochen und berührt worden und willkommen.
Wäre eine solche Einstellung nicht auch ein Schritt auf unsere evangelischen Mitchristen zu – etwa im Hinblick auf ein gemeinsames Gedenken des Luther Jubiläums 2017?

Heiner Angrick

Sonntag, 11. Januar 2015

zwischen Aufklärung und Aufnahme ...

... müßte man den "Aufkleber" in das theologische Wörterbuch schreiben. Vielleicht auch zwischen Bekenntnis, öffentlich, Dazugehörigkeit, Fan, ...
Welche Begriffe gehören für Sie dazu?
Beim Neujahrsempfang, den der Pfarrgemeindeart und das Seelsorgeteam in Sankt Augustin heute für die vielen Ehrenamtlichen im Katholischen Seelsorgebereich und alle Neugierigen veranstaltet, liegen nicht nur die Servietten für den Imbiss, sonder auch zwei Aufkleber:
1. Ob in der transparenten Version oder mit weißem Hintergrund: mit diesem Aufkleber und dem Text kann ich meine Zugehörigkeit oder Unterstützung, ein einfaches "finde ich gut" oder besser noch "finde ich wichtig" ausdrücken - ob auf der Arbeitsmappe, dem Kühlschrank, dem Auto - oder wo ich diesen bunten Tupfer in meinen Alltag setzen möchte. Damit drücke ich vielleicht gegenüber anderen auch aus: ich bin ansprechbar, sogar auskunftsfähig.

2. Der Aufkleber ist nicht schlicht gedacht in vatikanischem gelb/weiß oder vorurteilbehaftetem schwarz/weiß wie in der Öffentlichkeit oft beliebt, auch nicht im gefürchteten "monochrom" oder Eintönigkeit eines Einheitsbreis gehalten, sondern er ist bunt - bunt und vielfältig, wie katholische Christen in unserer Stadt ihren Glauben leben, ihrem Leben im Glauben Gestalt und Alltag geben - im Zeichen des Kreuzes.

3. Und ich bin überzeugt, dass das Katholische in Sankt Augustin nicht einfach nur zufällig da ist, sondern das es wichtig ist, dass es Sinn macht - nicht nur in der Feststellung, sondern auch in der Zukunftsperspektive - ich will "das Katholische" nicht einfach in einer Ecke oder einer Kammer (oder einem Kirchengebäude) bewahren oder verwahren, sondern als lebendige, am Wohl aller Menschen interessierte Größe in das Zusammenspiel in unserer Stadt einbringen - und daran werden wir (katholische) Christen uns messen lassen müssen. Sagt das Evangelium auch. Und so macht auch Kirche - also Du, Sie und ich - mit der Freude an der frohen Botschaft das Leben in Sankt Augustin froher und bunter.


Das ist kein Vorsatz für ein Neues Jahr, das ist eine Not-wendigkeit.